Eine Begegnung mit Bahá'u'lláh

Im Jahre 1890, etwa zwei Jahre vor Seinem Tod, empfing Baha'u'llah Professor Edward G. Browne von der Universität Cambridge, einen der wenigen Menschen aus dem Westen, die Ihm je begegneten. Über seine Begegnung schreibt der junge Orientalist:

"In der Ecke... saß eine hoheitsvolle, ehrwürdige Gestalt...Das Antlitz, in das ich nun blickte, kann ich nie vergessen, obgleich ich nicht imstande bin, es zu beschreiben. Diese durchdringenden Augen schienen auf dem Grunde der Seele zu lesen. Macht und Würde lagen über diesen breiten Augenbrauen, die tiefen Falten auf Seiner Stirne und Seinem Gesicht verrieten ein Alter, das Sein tiefschwarzes Haar und der in üppiger Fülle bis zur Leibesmitte herabwallende Bart Lügen zu strafen schienen. Unnötig zu fragen, in wessen Gegenwart ich stand, als ich mich vor Dem verneigte, der das Ziel einer Verehrung und Liebe ist, um die Ihn Könige beneiden könnten und nach der sich Kaiser vergeblich sehnen."

"Eine milde, würdevolle Stimme bat mich, Platz zu nehmen, und sprach sodann:
 

'Gelobt sei Gott, daß du es erreicht hast! Du bist gekommen, um einen Gefangenen und Verbannten zu sehen. Wir wünschen nur das Wohl der Welt und das Glück der Völker; dennoch hält man Uns für Anstifter von Streit und Aufruhr, die Gefangenschaft und Verbannung verdienen. Wir wünschen, daß alle Völker in einem Glauben vereint und alle Menschen Brüder werden; daß das Band der Liebe und Einigkeit zwischen den Menschenkindern gestärkt werde; daß Religionsverschiedenheit aufhöre und die Unterschiede, welche zwischen den Rassen gemacht werden, aufhören--was ist nun Schlimmes hieran? Aber trotz all dem wird es dahin kommen; diese fruchtlosen Kämpfe, diese zerstörenden Kriege werden aufhören und der 'Größte Friede' wird kommen. Habt ihr dies in Europa nicht auch nötig? Ist dies nicht das, was Christus verhieß? Aber dennoch sehen Wir eure Könige und Regenten die Schätze ihrer Länder mehr auf die Zerstörung der menschlichen Rasse verschwenden als darauf, was zum Glück der Menschheit führen würde. Die Kämpfe, dieses Blutvergießen und diese Zwietracht müssen aufhören, alle Menschen müssen sein, als ob sie einem Geschlecht und einer Familie angehörten. Es rühme sich kein Mensch dessen, daß er sein Land liebt, sondern eher dessen, daß er das ganze Menschgeschlecht liebt.'


Solcher Art waren, soweit ich sie aus dem Gedächtnis wiedergeben kann, die Worte, die ich, neben vielen anderen, von Baha'u'llah hörte. Mögen die, die sie lesen, sie gut daraufhin ansehen, ob solche Verbreitung nicht vielleicht mehr gewinnen als verlieren würde." 1


1 Edward G. Browne, A Traveller's Narrative, Cambridge 1891 S. xxxix ff